Jette ist eine Esskastanie. Nach einer abenteuerlichen Reise war sie aus Spanien gekommen. Dort wollte sie keiner haben, denn sie war schief gewachsen und verstümmelt worden. Auf dem Schulhof der Bitterfelder Schule „An der Kastanie“ fand sie neben Kastan und Kastania ein Zuhause. Sie müsste glücklich sein. Aber sie lässt die Blätter hängen. Wasser bekommt sie genug. Was kann sie nur haben? Die Schulleiterin rätselt. Marie findet die Antwort. Jette will heiraten und endlich Früchte tragen. Alle suchen nach einer Lösung. Ob sie es schaffen?
Peter Hoffmann erzählt, wie schwierig die Aufgabe ist. Die Schüler helfen mit und malen Bilder zu der Geschichte.
„Jette will heiraten“, ein liebenswertes Buch entstand auf diese besondere Weise.
Textauszug:
Die Lösung ist oft ganz einfach
Plötzlich hellt sich Maries Gesicht auf. Sie richtet ihren Blick nach oben, in das Blätterdach von Kastan und Kastania. Die Kronen der beiden einheimischen Kastanienbäume hängen voller saftig-grüner, praller, stacheliger Früchte. Dann schaut sie zu Jette. Nicht eine einzige Frucht kann sie in deren eng verzweigtem Geäst entdecken. Seltsam. Marie legt nun ihr Ohr an Jettes Stamm. Für Heike Nietschmann ist das Verhalten der ehemaligen Schülerin unerklärlich. Doch dann erinnert sie sich erneut an jenen Augenblick nach dem schweren Unwetter. Marie begann plötzlich unter Jette in einer Pfütze zu tanzen. Da hatte die Lehrerin für einen kurzen Augenblick das Gefühl gehabt, als würden dieser Baum und ihre Schülerin sich gegenseitig etwas zu sagen haben. Etwas, das niemand außer diesen beiden hören kann.
Marie greift in die Seitentasche ihrer gelben Stadthof-Arbeitsjacke und holt ein Handy heraus. Hastig tippt sie Buchstaben ein. Prompt findet sie die Lösung. Sie verkündet: „Jette ist einsam. Das macht sie traurig und krank. Schauen Sie, Frau Nietschmann, hier steht ‚Esskastanien sind Fremdbefruchter!’“
„Und, was soll das bedeuten?“ Die Schulleiterin weiß nicht so recht, worauf Marie hinaus will. Vielleicht liegt das auch ein wenig daran, dass sie keine zwanzig mehr ist, wie ihre ehemalige Schülerin, und bald in Rente geht. „Na, das ist doch ganz einfach“, Maries Gesicht hellt sich auf. „Unsere Jette will heiraten! Es gibt aber weit und breit keinen, der zu ihr passt.
Und sie steht fest verwurzelt hier auf dem Schulhof. Sich selber auf die Suche begeben kann sie nicht. Und dann muss sie noch tagein, tagaus sehen, wie die beiden anderen Kastanienbäume voller Früchte hängen!“
Da bildet sich zum dritten Mal an diesem Tage die Sorgenfalte auf Heike Nietschmanns Stirn. Aber jetzt ist sie nicht so tief. Das hat wohl einen Grund: Die Schulleiterin ist froh, jemanden wie Marie bei solch einem komplizierten Problem an der Seite zu haben.
„Was schlägst du vor?“, fragt sie und Marie antwortet: „Wir müssen uns auf die Suche nach einem Partner für Jette begeben!“
Es klingelt zur nächsten Pause. Susi, Kevin und Thomas kommen hinzu. „Hallo Marie“, ruft Thomas und fragt: „Was machst du an deiner alten Schule?“
„Ich bin wegen Jette hier“, lautet die Antwort. „Sie fühlt sich nicht wohl, bekommt welke Blätter. Das hast du doch sicher auch schon bemerkt!“
„Aber wir gießen ja nun wirklich genug, jeden Tag fünf Kannen Wasser pro Baum“, sagt jetzt Kevin und seine Stimme klingt beleidigt.
„Ihr macht alles richtig“, antwortet Marie. „Jette ist traurig, weil sie keinen Freund oder Mann hat. Sie braucht aber einen, damit sie Früchte tragen kann. Genau so wie Kastan und Kastania da drüben.“